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Frauen im Fußball: Interview mit Anna Ressmann

Im Rahmen unseres Fokus: Frauen im Fußball sprachen wir kürzlich mit Anna Ressmann, die derzeit neben ihrer Tätigkeit als Frauenfußballverantwortliche beim FC Mariahilf Frauen im Vorstand des Frauenausschusses des Wiener Fußballverbandes sitzt.

Kannst du dich kurz vorstellen und wie bist du zum Fußball gekommen?

Mein Name ist Anna Ressmann. Ich bin eigentlich durch meinen Taufpaten Rudolf Czech zum Fußball gekommen. Er war damals bei St. Rochus, einem Fußballverein, der in der DSG spielte und auch eine Ligamannschaft (Nachwuchsteam) hatte. Meine Schwester und ich haben dort ein paar Mal mit den Jungs gespielt. Dann hatte Rochus irgendwann eine Frauenmannschaft. Da waren wir etwa 17 Jahre alt. Dann haben wir dort zwei oder drei Spielzeiten gespielt und dann bin ich zu Mariahilf gewechselt. Das war 2006 und 2008 bin ich dann in den Vorstand eingetreten. Seit 2011 bin ich die Frauenfußballverantwortliche bei Mariahilf. 2017 bin ich auch dem Frauenkomitee Frauenausschuss des WFV beigetreten. Und im Moment bin ich dort für die Landesliga zuständig, also stellvertretende Obfrau im Frauenausschuss des WFV der Landesliga und verantwortlich für die Mädchenligen.

Wie viele rein weibliche Teams gibt es in Wien?

Grundsätzlich haben wir drei große Großfeld-Ligen in Wien. Leider hat die Landesliga, die stärkste der drei, in diesem Jahr nur acht Teams. Die erste Klasse hat elf Teams und die zweite Klasse hat sechs Teams. Insgesamt gibt es etwa 25 Großfeldteams. Und dann haben wir auch die Kleinfeldteams. Das sind weitere acht plus ein paar in der DSG Liga.

Wie hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?

Es gab wenig Entwicklung, oder eher fast Rückschritte in den Frauenligen. Tatsache ist, dass wir ständig Teams verlieren, und dadurch die Anzahl der Teams stagniert bzw. viel zu langsam steigt. Manchmal werden es weniger, manchmal mehr. Positiv ist, dass wir in Wien zumindest nun wieder 3 Ligen haben, vor kurzem waren es nur 2. Aus der Newcomer League hoffen wir, dass sich mehr Großfeldteams entwickeln und somit die Teamanzahl steigt. Aber im November habe ich zumindest die neuesten Daten zum Mädchen- und Frauenfußball erhalten. Und die Anzahl der Neuanmeldungen steigt. Natürlich gab es einen deutlichen Einbruch in Coronazeiten. Danach sieht man aber wieder einen Anstieg. Dafür gibt es jetzt auch Mädchenligen, zumindest im Frühling gibt es 30 Mädchenmannschaften, die auch in den Mädchenligen spielen. Diese Teams gab es vor anderthalb Jahren noch nicht einmal und die sind die Basis für mehr Frauenteams. Es hat also bereits eine Entwicklung gegeben. Denn ich glaube, obwohl der allgemeine Trend ist, dass die Vereine Mitglieder im Fußball verlieren, steigt die Anzahl der Spielerinnen in Wien. Wir machen aber immer noch einen sehr kleinen Teil aus. Prozentual sind es 7% der Fußballer*innen Mädchen und Frauen.

Wie hat sich der Frauenfußball in den letzten Jahren verändert?

Ich denke, es hat sich im Allgemeinen verbessert. Mehr Vereine bieten jetzt Mädchen- und Frauenfußball an. Also hat sich schon etwas getan. Was die Zuschauerzahlen betrifft, denke ich nicht, dass sich viel verändert hat. Ich weiß nicht, wie wir im Vergleich zur
Männer-Landesliga stehen, aber weit darunter und auch in Bezug auf Geld. In der Herren Landesliga bekommen die Spieler schon ordentlich Gage, in der Frauen Landesliga zahlen die Spieler*innen Mitgliedsbeitrag. In finanzieller Hinsicht sind wir natürlich weit darunter. Strukturelle Probleme sind immer noch eine große Schwierigkeit. Das ist das, was wir jetzt angehen wollen. Wenn man sich die Platzverteilung ansieht, haben so viele Vereine keinen Platz für Mädchen- und Frauenfußball. Sie haben zehn Nachwuchsteams, also zehn Jungen-Teams und zwei Männer-Kampfmannschaften. Aber genau für das Mädchen- oder Frauen-Team gibt es dann keinen Platz? Und das ist genau etwas, wo wir diese Probleme aufzeigen wollen. Wo wir zusammen hinweisen wollen und das transparent machen wollen, um dann gemeinsam Förderungen zu erarbeiten, um die Vereine zu belohnen, die den Platz auch anbieten. Viele Vereine nehmen da leider immer noch lieber einen Untermieter, weil da direkt Geld reinkommt oder es interessiert sie einfach zu wenig.

Wie wichtig ist die richtige Jugendarbeit, um bei mehr Mädchen die Leidenschaft für Fußball zu wecken?

Ja, das ist wichtig und etwas, das sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Mädchen spielten früher in gemischten Programmen mit den Jungs. Später gab es einige Vereine, die ein reines Mädchentraining anboten. Aber es war schwierig für sie, die Mädchen bei Laune zu halten. Es war schwierig, Freundschaftsspiele zu organisieren. Und den Jungsligen beizutreten, war wirklich nur für die Besseren. Und nicht jeder Verein kann die besten 10 oder 20 Prozent der Mädchen haben. Das ist einfach nicht möglich.

Dann haben wir uns mit den Vereinen zusammengesetzt und uns angesehen, in welchen Altersgruppen Bedarf besteht. So haben wir letztes Frühjahr die Mädchenliga gegründet eingerichtet. Man kann bereits einen starken Anstieg sehen. Wir haben mit 17 Teams in den Mädchenligen angefangen. Das waren 17 neue Teams, die es vorher nicht gab. Und jetzt haben wir im Frühjahr 30. Leider mussten wir aber auch feststellen, dass einige Teams aufgeben mussten. Also ist es auch dort nicht so einfach. Aber es gibt eine positive Entwicklung. Und die jungen Mädchen sind auch das Wichtige, sie sind eigentlich die Basis.

Man braucht junge Talente, um später gute Spielerinnen zu produzieren. Und sie müssen so früh wie möglich anfangen.

Gibt es generell eine Tendenz, dass Mädchen später mit dem Fußballspielen beginnen als Jungs?

Ja, definitiv. Das war auch einer der Gründe, warum wir die Mädchenligen eingerichtet haben, weil die Mädchen im Durchschnitt einfach viel später anfangen. Und dann hast du das Problem, dass wenn sie gegen Jungs spielen, einfach ein paar Jahre Unterschied an Erfahrung aus sportlicher Sicht vorhanden ist. Denn die Mädchen beginnen erst mit 13, 14 oder sogar 15 und älter. Da kann man die Jahre, die vergangen sind, auf die Jungs, die mit fünf, sechs oder sieben anfangen, nicht aufholen.

Gibt es Gründe dafür, warum es immer noch so ist?

Es gibt mehrere Gründe. Es ist sozial immer noch teilweise in der Gesellschaft verankert, dass Fußball eine Männersportart ist, und es ist oft nicht einmal bekannt, welche Vereine Fußball für Mädchen anbieten. Und auch, dass einige Vereine einfach keine Mädchen wollen. Leider ist das immer noch der Fall. Obwohl es prinzipiell einen Aufschwung gibt.

Welche Rolle spielen Sponsoren und Partner beim Aufbau und der Unterstützung von Frauenmannschaften und wie können diese Beziehungen gestärkt werden?

Nun, aus allgemeiner Sicht hat die Frauen-Bundesliga in diesem Jahr einen Sponsor bekommen. Außer der Bundesliga gibt es aber keine Frauen-Liga in unserem Landesverband, die einen Sponsor hat. In der Männerliga gibt es zum Beispiel den Landespokal, der von einem Sponsor unterstützt wird, der Frauenpokal nicht. Ich weiß nicht, wie es den einzelnen Vereinen geht, ob sie schon GroßSponsoren an Bord haben oder nicht. Wahrscheinlicher ist aber, dass es, wenn dann, Sponsoren bei den Bundesliga-Vereinen gibt. Also es gibt durchaus Raum für Sponsoren in unserem Spiel unseren Ligen

Vielleicht ist es auch eine Gelegenheit für Unternehmen, Trends zu setzen?

Ja, definitiv. – Die neue Londoner U-Bahn-Linie als Beispiel, sie wurde auch nach den Lionesses benannt. International gibt es einige wirklich gute Beispiele, die gesetzt werden. Wenn also jemand die Mädchenliga sponsern möchte oder die Wiener Damen Ligen, können sich die Unternehmen sehr gerne melden.

Was sind aktuell neben den finanziellen Ressourcen noch andere Probleme?

Neben den angesprochenen strukturellen Problemen, freiwillige Funktionär*innen zu finden. Die Mädchenteams finden teilweise nicht genug Spielerinnen. Wir haben auch versucht, uns mit Sara Telek und Kickmit zu vernetzen, zum Beispiel. Weil sie direkt in den Schulen sind. Die Vereine können so die Sara anschreiben und zum Training kommen, damit sie direkten Kontakt mit den Spielerinnen haben. Aber es kostet alles viel Zeit. Heutzutage bekommt man natürlich viele neue Spielerinnen über soziale Netzwerke. Aber man braucht auch Ressourcen und ein bisschen Expertise, um sich um diese zu kümmern. Ich denke, man kann es nicht auf einen Faktor reduzieren.

Wie sieht es aus mit Rollen für Frauen abseits des Spielfeldes?

Die Welt der Funktionäre ist sehr männerdominiert, was verständlich ist, weil es einfach so viel mehr Fußballer gibt. Und am Ende wird ein Teil dieser Fußballer irgendwann Funktionär. Es ist dasselbe bei Fußballerinnen und die Zahl steigt langsam. Hoffentlich steigt dadurch irgendwann auch die Zahl der Fußballfunktionärinnen. Man muss sich aber als Frau dann schon auch überlegen, ob man in einem solch männerdominierten Bereich auch wirklich willkommen ist, das ist das Eine. Man muss sich immer überlegen, ob man als Verein Frauen im Vorstand willkommen heißt -das ist leider manchmal noch nicht der Fall. Dann müssen wir auch schauen, ob und wie wir es schaffen, dass Frauen sich wohlfühlen und mit uns arbeiten wollen. Andererseits ist es generell so, dass es einfach zu wenige Fußballer*innen gibt, die die Zeit aufbringen können oder wollen, um einen Unterschied zu machen. Ich glaube, wenn ein paar sagen, okay, wir wollen jetzt einen Unterschied machen, dann klappt das auch. Aber man braucht eben ein paar motivierte Leute. Das ist nicht so leicht zu finden.

Was können/müssen die Regionalverbände tun, um den Stellenwert des Frauenfußballs zu erhöhen?

Nun, die meiste Arbeit im Wiener Fußballverband wird von Freiwilligen ehrenamtlich geleistet. Was ich eigentlich empfehlen würde, sind viel mehr junge Leute im Vorstand. Ich würde gerne eine Verjüngung der Strukturen sehen, die Mehrheit der Spielerinnen ist in einem Alter, das überhaupt nicht im Vorstand vertreten ist. Ich glaube, ich bin das jüngste Mitglied im Vorstand. Ich bin schon in meinen späten 30ern, also bin ich weit weg von meinen frühen 20ern. Es gibt auch nur zwei Frauen im gesamten Vorstand. Wir arbeiten auch gerade an einem Fünf-Jahres-Plan für Mädchen- und Frauenfußball in Wien. Und es wird auch ein gemeinsames Treffen geben, um gemeinsame Ziele auszuarbeiten. Dort wollen wir all das vorbereiten, was wir im Mädchen- und Frauenfußball erreichen wollen und auch einen Weg skizzieren und Konzepte ausarbeiten, wie wir dorthin kommen.

Welchen Einfluss haben Profifußballerinnen auf Veränderungen im Frauenfußball?

Es ist viel besser geworden, denn als ich jung war, gab es einfach niemanden, mit dem ich mich identifizieren konnte. Es gab ja auch nichts im Fernsehen oder so, zu dem ich als Vorbild aufschauen hätte können. Heutzutage ist es viel besser. Wenn man die jungen Spielerinnen fragt, haben sie verschiedene Antworten, wer ihre Vorbilder sind, manchmal männliche, manchmal weibliche Vorbilder, aber sie sind präsent, sie kennen die Nationalspielerinnen. Man hat es jetzt auch in Wien gesehen beim Freundschaftsspiel gegen Frankreich. Das Stadion war voll, also das Potenzial ist definitiv da, dass genug Leute kommen und zuschauen.

Warum sollen Mädchen mit dem Fußballspielen anfangen?

Ich spiele selbst immer noch Fußball und habe jetzt nach einer Pause wieder angefangen. Es ist ein Teamsport, der viel Spaß macht und einem viel zurückgibt. Gemeinsam zu spielen und zu trainieren ist etwas ganz Besonderes und bereitet Freude. Die Freude, die man auf einem Spielfeld sieht, macht einfach irrsinnig viel Spaß. Mein Traum ist, dass jedes Mädchen oder jede Frau in Wien Fußball spielen kann. Leider gibt es dafür noch nicht genug Vereine. Ich würde mir wünschen, dass alle die Möglichkeit haben, Fußball zu spielen.

Anna Ressman at Frauen im Fußball - The Talk
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