In einem spannenden Interview gewährt uns die erfahrene Bundesliga- und UEFA-Schiedsrichterin Sara Telek tiefe Einblicke in ihre facettenreiche Reise durch die Welt des Sports. Von ihren Anfängen als Schülerin, die in den Pausen auf dem Schulhof Fußball spielte, bis zu ihrer beeindruckenden Karriere als Schiedsrichterin. Ein einzigartiger Einblick in die Herausforderungen und Triumphe im Leben einer Frau, die sich in einer von Männern dominierten Branche durchsetzt.
Sie berichtet nicht nur über ihren eigenen Werdegang, sondern äußert sich auch zu wichtigen Themen des Fußballs wie den VAR, die Entwicklung des Frauenfußballs in Österreich und ihren Erfahrungen als Schiedsrichterin in einem von Emotionen geprägten Umfeld. Durch ihre offenen und klaren Worte werden uns nicht nur Einblicke in ihre persönliche Entwicklung gewährt, sondern auch wertvolle Perspektiven auf aktuelle Trends und Herausforderungen im Fußball geboten, insbesondere im Kontext des Frauenfußballs.
zone14: Sara, wie bist du aus der künstlerischen Richtung zum Fußball gekommen?
Sara Telek: Das hat sich eigentlich so ergeben, dass ich in der Schule,in der Kunstschule, immer im Hof zu der Pausenzeit angefangen habe, mit meinen Freunden zu kicken.
Und so hat sich das dann ergeben, dass sich da eine Leidenschaft für den Fußball entwickelt hat, die mir mehr Passion im Sport gegeben hat, als ich sie im Kunstbereich erlebt hatte.
zone14: Du hast selbst gespielt: bei ASC Erla, Wiener Viktoria, Wiener Sport-Club und du warst auch eine der Gründerinnen der Dornbacher Girls. War es für dich jemals ein Ziel, Profi zu werden?
Sara Telek: Nein, mir war bewusst, dass ich viel zu spät begonnen habe.
Ich habe erst mit 14, also ab der Oberstufe, zum Kicken angefangen. Ich habe schon gemerkt, dass ich Potenzial hatte mit dem Fuß und dem Ball und in dem Sport talentiert war, weil ich das sehr schnell erlernt hatte. Ich fand es ein bisschen schade, dass ich da nicht schon früher den Weg zum Fußball gefunden habe, weil ich glaube, dann wären vielleicht Optionen und Möglichkeiten da gewesen.
Mir war von Anfang an bewusst, dass ich das einfach nur für mich und für den Spaß mache. Vor allem kicken im Park, das habe ich besonders gerne gemacht. Und es war für mich einfach nur für das Gefühl, für die Freude, für den Spaß. Das war eigentlich so mein Anfang.
Mir war lange Zeit gar nicht bewusst, dass es dieses Angebot, in einem Verein zu spielen, gibt. Ich komme eigentlich aus einer Antisportfamilie, wo Fußball gar kein Thema war. Von dem her hatte ich gar keinen Zugang jetzt zu dem Angebot Sportverein, Sporttraining, Fußballtraining. Ich habe eigentlich dann zufällig diesen Weg eingeschlagen.
zone14: Wie bist du dann Schiedsrichterin geworden?
Sara Telek: Innerhalb des Matches für 90 Minuten sind gewisse Regeln zu befolgen. Da dachte ich mir, dass es natürlich auch Vorteile hat, wenn ich als Spielerin mich auch für das Regelwerk interessiere und die Spielregeln beherrsche. Zumindest darüber Bescheid zu wissen. Das war die Motivation, warum ich mich dann einfach für den Schiedsrichterkurs angemeldet habe.
Es war nie mein Ziel, dass ich ein Spiel pfeife, sondern ich wollte einfach die Theorie durchgehen und das für mich erlernen. Dann ist es aber so, dass du automatisch, nachdem du die Theorie erlernst, dann auch eine Überprüfung hast. Dann hast du das erste Match und dann das nächste, dann bist du irgendwie automatisch dabei. Das hat einfach seinen Lauf genommen.
zone14: Welche Wege geht man, um wirklich ganz nach oben zu kommen?
Sara Telek: Erstens muss einem auch bewusst werden, wo man eigentlich hin will. Sonst ist es genauso wie als Spieler, dass du aufsteigen und absteigen kannst. Du wirst auch bewertet, bedeutet, dass du Punkte sammeln kannst, je nachdem, wie deine Leistung im Spiel ist. Unter anderem werden deine Fitness und deine Regelkenntnisse berücksichtigt.
Es war spannend, du wirst in der Anfangszeit natürlich begleitet, bekommst Feedback oder auch einen Beobachter, der dann einen Bericht schreibt und Inputs gibt. Je mehr du dich mit der Materie befasst und mit den Kollegen in dieser Welt bist, desto mehr versteht man das gesamte System. Dann verstehst du auch die Möglichkeiten, die sich eröffnen. Dass man aufsteigen kann, vom Nachwuchs in den Kampfmannschaftsbereich und von dort zur Leistungsklasse. Dass man in den Talente-Kader aufgenommen werden kann, dass man internationale Assistentin oder Schiedsrichterin werden kann. Das sind dann schon viele Optionen und Chancen, bei denen man natürlich alleine von dem Ehrgeiz oder vom Potenzial her dann schnell Lust kriegt auf mehr.
zone14: Was waren Herausforderungen, die du in deinen Erfahrungen als Schiedsrichterin erlebt hast?
Sara Telek: Ich denke, dass vor allem die Anfangszeit für einen Schiedsrichter immer sehr herausfordernd ist. Alles ist neu. Man hat noch nicht die Sicherheit, noch nicht die Routine. Man muss auch erst lernen, sich durchzusetzen. Sehr viele Eindrücke von außen wirken auf einen ein und das ist einem teilweise gar nicht so bewusst. Wenn man diese Phase übersteht und dann dabei bleibt, kann man es schaffen.
Die Dropoutquote ist gerade zu Beginn am größten, da viele negative Erfahrungen machen und vielleicht eine ganz andere Erwartungshaltung haben. Und dann auch enttäuscht sind. Oder schwierig mit Kritik umgehen können, die ihnen am Sportfeld entgegenkommt. Nicht nur an die spielbezogene Kritik, sondern auch an persönliche Kritik. Man muss einfach sehr früh lernen, dass man das trennt. Kritik, Beleidigungen, was auch immer da auf einen prallt. Man das nicht an sich heranlässt, da es eben nicht mit einem persönlich zu tun hat, sondern mit der Funktion und der Rolle, die man ausübt, in der man vielleicht nicht fehlerfrei ist oder gerade am Anfang Schwierigkeiten hat.
Es ist ständig eine Challenge, jedes Spiel ist anders, jedes Spiel ist an einem anderen Ort, du hast immer andere 22 Charaktere am Spielfeld und das macht es einfach sehr spannend, vielseitig und herausfordernd.
zone14: Du hast als Schiedsrichterin bereits mehr als 300 Spiele absolviert, insgesamt mit 463 gelben Karten, 21 gelb-roten Karten und 17 rein roten Karten. Bist du eine strenge Schiedsrichterin?
Sara Telek: Nein, ich würde eigentlich von mir selbst nicht sagen, dass ich streng bin. Ich bin eher eine Schiedsrichterin, die laufen lässt, die auch aus der Spielperspektive denkt. Ich habe als Spielerin selbst gerne körperbetont gespielt, jetzt bin ich glaube ich keine Schiedsrichterin, die da leicht oder schnell eine Karte zückt. Außer es ist eine gewisse Grenze erreicht.
Ich habe einfach ein gutes Gespür gefunden, glaube ich. Ich weiß, wann ich ein Spiel laufen lassen kann. Natürlich kann ich nicht jedes Spiel gleich laufen lassen, manchmal sind Spieler oder Begegnungen einfach aufgeheizt. Da muss man einfach schon sensibilisiert sein und wissen, da kann ich jetzt vielleicht nicht so viel durchgehen lassen oder so körperbetont spielen lassen. Sonst wird das Spiel dann schwieriger zu leiten.
zone14: Würdest du dich als Menschenkennerin bezeichnen? In dem Sinne, dass du schnell verstehst, welche Charaktere es innerhalb der Mannschaften gibt?
Sara Telek: Ich glaube schon, dass mir diese Fähigkeit sehr viel geholfen hat. Von Beginn an schon, wenn man Menschen oder Charaktere lesen kann und Situationen rechtzeitig vorab oder präventiv erkennt, dann hat man schon sehr viel gewonnen. Man kann verhindern, dass es überhaupt zu weit geht, weil man erkennt, dass es jetzt kritisch wird. Beziehungsweise glaube ich schon, auch wenn man Gesichtsausdrücke oder auch Mimik und Gestik gut interpretieren kann, dass einem dann die Rolle Schiedsrichter oder Schiedsrichterin leichter liegt.
zone14: Hat es jemals Zweifel bei dir gegeben, während eines Matches? An die eigene Leistung, aber auch bezüglich Kommentaren von Fans und Spielern.
Sara Telek: Ich glaube schon ein oder zwei Spiele gerade im Nachwuchsbereich, wo ich gemerkt habe, die sind mir nahe gegangen und da hatte ich einfach sehr viel zu lernen oder aufzuarbeiten und war bei dem einen Spiel sicherlich noch nicht mein bester Tag.
Ich war damals vielleicht auch noch überfordert, aber ich glaube nicht, dass ich überlegt hätte, aufzuhören. Das ist jetzt auch schon sicher über zehn Jahre her. Aber ich glaube schon, dass es bei vielen Kollegen oder Kolleginnen Thema ist. Man braucht eine harte Haut, die habe ich mir sicher auch nochmal stärker zugelegt in den Jahren.
zone14: Gibt es deiner Meinung nach Unterschiede, wenn eine Frau das Spiel leitet, im Gegensatz zu einem Mann?
Sara Telek: Grundsätzlich glaube ich, dass es, wenn wir davon ausgehen, dass beide das gleiche Level oder die gleiche Leistung abliefern, dass es nicht wirklich einen Unterschied macht. Wenn jemand nicht gut ist, nicht anerkannt oder akzeptiert wird, dann ist es auch unabhängig, ob man Mann oder Frau ist. Dann wird auch die Kritik oder die Konfrontation von den Akteuren da sein.
Ich glaube, dass einfach andere Schwachpunkte aufgegriffen werden, die kritisiert und genutzt werden, um zu beleidigen. Und das ist halt eben, bei einer Schiedsrichterin wahrscheinlich das Thema Frau, quasi in die Küche gehen zu sollen, bei männlichen Kollegen ist es dann irgendein anderes Merkmal, er ist vielleicht etwas dicker, klein oder hat vielleicht eine Glatze oder Brille. Man sucht sich dann irgendein Detail, das auffällt.
zone14: Wie sieht es mit Frauenfeindlichkeit am Platz aus? Hast du in dieser Richtung etwas erleben müssen?
Sara Telek: Man hört natürlich schon sowas, gerade vom Zuschauerbereich gibt es sexistische Meldungen. Von Spielern und Trainern eher selten. Ich glaube, dass da jedem auch die Verantwortung und die Rolle bewusst genug ist. Es gibt natürlich auch Momente, wo sich dann Spieler nicht mehr zusammenreißen, oder verbal entgleisen, sag ich mal. Und je nachdem, wie grenzüberschreitend das dann ist, reagiere ich auch dementsprechend. Wenn es mir gleichgültig ist, ignoriere ich es. Ob es etwas ist, dass ich dann etwas zurück sage, und verbal ein bisschen Kontra gebe. Oder ob es wirklich etwas ist, wo ich sage, das geht nicht mehr. Da muss man sich dann auch entschuldigen, disziplinär arbeiten und es den Spielern aufzeigen.
zone14: Uns als Technologie-Startup interessiert natürlich auch deine Meinung zum VAR, also zur Videoassistenz der Schiedsrichter. Hat er das Leben der Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen erleichtert? Wenn ja, wo gibt es noch Potenzial nach oben?
Sara Telek: Ja, auf jeden Fall, der VAR hat den Fußball einerseits fairer gemacht, das beweisen ja auch die Statistiken. Dadurch aber halt auch herausfordernder, weil noch mal eine Komponente dazukommt, nämlich eben die technische. Ich denke, dass da vor allem die Kommunikation am Spielfeld eine wesentliche Rolle spielt. Der Schiedsrichter ist mit dem Team am Spielfeld, aber eben auch mit den Akteuren am Platz. Und im Hintergrund mit dem Videoschiedsrichter, man muss darauf achten, dass es zu keinen Missverständnissen kommt. Alles ist auch noch mal transparenter, was ich grundsätzlich sehr positiv finde.
zone14: In unserer Kampagne richten wir den Fokus auf Frauen im Fußball, in welche Richtung bewegt sich der Frauenfußball derzeit in Österreich?
Sara Telek: Der Frauenfußball hat sich in den letzten 10 Jahren enorm entwickelt und es hat sehr viel Verbesserungsarbeit stattgefunden. Ich glaube trotzdem und bin überzeugt, dass es noch so viel mehr Potenzial gibt. Dass man aufpassen muss, eben nicht stillzustehen oder wieder Rückschritte zu machen, dranbleibt und voranschreitet und einfach auch andere Strukturen und Professionalität schafft. Dass hier einfach ganz klar eine Entwicklung stattfindet, auch in den professionellen Bereich hinein. Dass auch finanziell her gesehen, die First Mover langfristig enorm profitieren werden und ziemlich sicher auch als Gewinner über längere Zeit dastehen. Jene, die dann erst Step by Step nachrücken, werden nur sehr schwierige Chancen haben, auch noch aufzuspringen oder das Level zu halten.
Insgesamt glaube ich, dass Österreich da schon stolz sein kann auf die Arbeit. Ich denke nur, dass man die breite Masse vielleicht noch zu wenig erreicht. Qualität entsteht auch durch Quantität und ich glaube, je mehr junge Spielerinnen auf den Fußball aufmerksam werden und einfach Spaß, Freude und Leidenschaft für den Fußball entsteht, umso mehr Potenzial gibt es dann auch für die Zukunft. Jetzt nicht nur im Bezug auf Spielerinnen, sondern einfach allgemein im Fußball. Auch als Trainerin, Schiedsrichterin, Funktionärin, auf allen Ebenen und Bereichen. Nochmal mehr Diversität und dadurch auch mehr Möglichkeiten zu schaffen.